Stolpersteine
Runter vom Sockel der Selbstüberhöhung
Da ist mein Traum, einmal was Großes zu schaffen. Es soll großartig sein und als solches können die anderen ruhig mal staunen. Ich zeige allen was ich wirklich drauf habe.
Im Kontext der Nachfolge Jesu ist Simon Petrus der Prototyp für diese Haltung.
Jesus spricht mit seinen Jüngern kurz vor seinem Leidensweg. Simon, pass auf. Du gerätst in Versuchung. Ich bete für Dich, dass sich dein Glaube bewährt. Und du dann später auch andere stärken kannst. Und da antwortet Petrus ihm:
Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Lk 22,33
Der dreimal krähende Hahn hat dann daran erinnert, wie er an seinem eigenen Ideal gescheitert ist.
Ich folge einem Ideal, einer Idee (von griech. Idea, Gestalt, Erscheinung, Aussehen, Urbild) und bleibe dann nicht mehr in der Wirklichkeit. Mein Bild von Wirklichkeit bestimmt mein Denken und Handeln. Also Achtung vor den Weltrettern. Denn genau das wollte Simon Petrus. Seine Welt retten. Dass es so bleibt, wie es ist. Wie er es sich vorstellt.
Ist echt paradox. Idealisten klingen nach Aufbruch und heroischen Taten. Letztlich stehen sie der Veränderung im Wege.
Gescheiter scheitern
Wie tröstlich, dass Jesus auch mit Gescheiterten seine Gemeinde aufbaut! Und gerade mit Gescheiterten. So mag sich eine heilsame Einsicht einstellen: Ich komme vom Sockel meiner Selbstüberhöhung durch Ideale. Und Begegnung wird neu möglich. Mit Gott, dem Mitmenschen und sich selbst.
Und dann gibt es noch die Idee der Selbsterniedrigung. Ich mache mich klein.
Ein Besuch in Israel vor einigen Jahren ließ mich das entdecken. Was hab‘ ich mich schlecht gefühlt! Als Deutscher in einem Land, das überwiegend von Juden bewohnt war. Und dann das Schreckliche der gemeinsamen Geschichte. Besser wurde es, als ein junger jüdischer Mann sagte: "Bleib locker, das warst Du doch gar nicht." Das half etwas.
Dennoch hat sich der Simon Petrus in mir schlecht gefühlt! Der alles ganz richtig machen wollte. Also demütig in die Dauerregression als Deutscher in Israel ging.
Der Ausweg Jesu
Für die eine und die andere Haltung gibt es den gnädigen Ausweg Jesu. Runter vom Sockel oder: richte Dich doch einfach mal wieder auf.
Welche Freiheit! Ich muss doch nicht mehr dieses oder jenes versprechen! Das kann ich doch sein lassen!
Jesus betet dafür, dass Simon sein Vertrauen behält. Nicht, dass ein Glaube wie im Leistungszentrum immer schneller – höher – weiter reicht. Vertrauen lässt sich nicht steigern. Gott sei Dank.
Das Schreckliche z.B. der Novemberprogrome von 1938 wird erinnert. Der Verrat und die Gewalt gegenüber jüdischen Mitbürgern werden benannt. Und zu dieser Geschichte können wir stehen, unsere Verantwortung übernehmen. Auch wenn wir alle noch gar nicht geboren waren!
Die Stolpersteine sind eine Erinnerung an jüdische Mitbürger, die von den Nazis deportiert und ermordet wurden. Die Erinnerung daran wach zu halten, wehrt den Tendenzen, Schreckliches zu verharmlosen.
Handeln
Martin Niemöller war U-Bootkommandant im 1. Weltkrieg. Später studierte er Theologie, war zunächst von Hitler angetan und ging dann in den Widerstand.
Er hat einmal gesagt:
- Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
- Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
- Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
- Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Manche reinigen am 9.11. Stolpersteine, die im Pflaster mit den Namen derer versehen sind, die an dieser Stelle vor der Deportation gelebt haben; andere versammeln sich am Platz der ehemaligen Synagoge.
Was auch immer es ist: Jenseits meiner eigenen Ideale kann ich befreit handeln.
Und so die Erinnerung wachhalten.
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