Alles in Fetzen
Wie krieg ich Frieden?
Übriggeblieben sind von ihm nur Fetzen, mehr nicht. Gedankenfetzen in meiner Erinnerung.
Zu der Zeit, als es geschah, war er 16 oder 17 Jahre alt. Völlig unerfahren. Auf einem Foto sieht man seine Gesichtszüge, weiche Gesichtszüge. Mehr Kind als Mann.
Und er sollte die Welt retten. Eine Scheinwelt, aufgebaut auf einer Ideologie. Einer Ideologie mit einfachen Gedanken. Die immer wiederholt wurden. „Volk ohne Raum“, andere sind „Untermenschen“. Juden wären schuld.
Als schon alles verloren war hat man Jugendliche wie ihn eingezogen, um sie für diese Ideologie kämpfen zu lassen.
Und so war er in Würzburg als die Bomben fielen. Es waren nicht nur die Bomben an sich – sie kündigten sich durch ein Pfeifen in der Luft an, bevor sie aufschlugen – es waren dann auch die Splitter, die sehr weit streuten, um viele zu treffen.
Da war die Litfaßsäule, hinter der sie sich zu zweit duckten. Und der erfahrene, ältere Soldat sagte ihm: „Steck‘ Deinen Kopf zwischen meine Beine!“ So war er etwas sicherer vor den Splittern. Und sie krochen um die Litfaßsäule herum. Er mit seinem Kopf zwischen den Beinen des Kameraden. Je nachdem, aus welcher Richtung das Pfeifen kam.
Schräge Bilder
Klar, mit so einer Erfahrung hast Du dann später keine Lust mehr auf Krieg.
Die Scheinwelt, das Narrativ von verlorener alter Größe, die wieder hergestellt werden muss, führt gedanklich schlimmstenfalls zu einem Paralleluniversum.
40 % der US-Amerikaner glauben zum Beispiel, dass „die Wahl“ gestohlen wurde. Von den Republikanern sind es 70%.
Wenn man bedenkt, dass das dann zur Basis politischen Handelns wird, wundert es kaum, wenn der Sturm aufs Kapitol als legitime Meinungsäußerung verstanden wird. Obwohl dabei fünf Menschen ums Leben kamen.
Manchmal ist es schwierig, eine Ideologie zu durchschauen.
Wenn ein Bild an der Wand schief hängt, dann kannst Du es wieder zurechtrücken.
Ist das Bild an sich schon schief, lässt es sich nie grade hängen.
Ideologie heißt wörtlich Ideenlehre oder auch umgangssprachlich Weltanschauung. Und da gibt es echt viele richtig schräge Anschauungen.
Friedensanker
Nach dem zweiten Weltkrieg bildete sich die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization). Über 190 Länder sind Mitglied in dieser „Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur“. Aus der Kriegserfahrung heraus formulierte man in der Präambel:
„Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“
Man hatte sehr klar ein Gefühl dafür, wo die eigentlichen Probleme liegen. Werte, die verbinden und aus der Menschenwürde entspringen sind zentral. Treten Lügen an ihre Stelle wird es gefährlich.
Insofern kann ich mal die eigenen inneren Bilder Revue passieren lassen. Lässt sich da was zurechtrücken? Oder besser lieber gleich komplett entsorgen?
Dann kam die Kriegsgefangenschaft. Zum Glück. Wer die erreichte, hatte das Pfeifen der Bomben erstmal überlebt.
Mit einem Stein musste man die Zeichen der gescheiterten Ideologie vom Koppelschloss, einer Ganzmetall-Gürtelschnalle, mit einem Hakenkreuz und dem Spruch „Gott mit uns“ entfernen. Man hatte ja Zeit. Waren mit der Beseitigung der Zeichen auch schon die Gedanken weg?
Der Geist der Wahrheit
Wie kann ich ideologiekritisch bleiben? Die Antwort Jesu ist einfach. Schau mal, was dabei herauskommt. Oder mit seinen Worten: „An den Früchten wird man sie erkennen“ (Mt 7,16a)
Dass jetzt Krieg dabei herausgekommen ist, lässt sich wohl kaum als „gute Frucht“ verstehen. Und zeigt erschreckend, welches Innenleben dahintersteckt.
Wie also könnte der Frieden im Geist verankert werden? Konkret auch in meinem?
Ich bitte um den Geist der Wahrheit, der Liebe und des Friedens (vgl. Joh 14,17, 15,26. Sodass ich unterscheiden lerne, wes Geistes Kind jemand ist.
Die Frucht des Geistes – also was dabei herauskommt, wenn man im Geiste Jesu Christi lebt – ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue (vgl. Gal 5,22).
Aus dieser Geisteshaltung lässt sich weder das Kapitol erstürmen noch ein Land überfallen.
Mein Vater jedenfalls blieb danach Zeit seines Lebens extrem kritisch allem gegenüber, was irgendwie Absolutheit beanspruchte. Und wenn etwas nach Militarismus aussah, erhob er seine Stimme.
Denn er kannte die Auswirkungen einer ganz und gar menschenfeindlichen Ideologie.
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